Frühes CV-Leben in Paderborn

Im Paderborner Priesterseminar weilten insbesondere nach der Jahrhundertwende zahlreiche Aktive des CV. Ihre Zahl stieg im SS 1905 auf 26, im WS 1905/06 sogar auf 43. Diese veranstalteten einen regelrechten Semesterbetrieb mit Kommersen, Kneipen, Cartellausflügen und anderen studentischen Feiern. Hierüber berichteten sie immer wieder in der Verbandszeitschrift „Academia“.

Gründung als Tochterverbindung der Salia (Breslau) Paderborn

Am 14. Juli 1949 rekonstituierte sich an der Erzbischöflichen Philosophisch-theologischen Akademie Paderborn Salia Breslau. Als deren CC am 26. Juli 1952 den Beschluss fasste, Salia im WS 1952/53 nach Köln und damit wieder an eine Volluniversität zu verlegen, vereinbarte man mit dem Ortsphilisterzirkel Paderborn, beim Wegzug eine Tochterverbindung für die in Paderborn verbleibenden Füchse und Aktiven zu hinterlassen. Die 66. Cartellversammlung in Berlin genehmigte am 16. August 1952 die Sitzverlegung der Salia nach Köln sowie die Gründung der Tochterverbindung. Als deren Namen führte der Vertreter der Salia Dr. Albert Bitter (Sal, Wf, Ale) Guestfalo-Silesia an; die Farben sollten weiß-rot-gelb-weiß bei roter Tellermütze sein, der Wahlspruch auf „Ora et labora“ lauten.

Die 1950er Jahre: Guestfalo-Silesia als Theologenverbindung

Der Neugründung schlossen sich 30 der in Paderborn verbliebenen Aktiven der Salia an. Am 21. Oktober 1952 fand der erste Convent statt, bei dem Hubert Meschede (Sal) zum ersten Senior gewählt wurde. Auf seinen Aufruf hin bildete sich eine Altherrenschaft aus neun Alten Herren der Salia und weiteren 36 Mitgliedern des Philisterzirkels „Amicitia“, die Andreas de Voys (RFb) zum Philistersenior wählten. Am 18. November 1952, am Tag der Aufnahme der Guestfalo-Silesia als freie Vereinigung in den CV, fand im Kolpinghaus der Gründungskommers statt, bei dem die ersten Rezeptionen von Theologiestudenten vorgenommen wurden.

Im SS 1953 beging Guestfalo-Silesia am 18./19. April das Publikationsfest mit einem Festakt im Auditorium Maximum der Philosophisch-theologischen Akademie und einem Festkommers im „Laurentiusheim“. Erstes Ehrenmitglied wurde der Paderborner Erzbischof Dr. Lorenz Jaeger (EM Sb, EM Wf), der die Gründung einer CV-Verbindung für den Theologennachwuchs gefördert hatte.

Im November 1953 wurde Guestfalo-Silesia, die sich kontinuierlich weiterentwickelte, vollberechtigte CV-Verbindung. 1955, sechs Jahre nach der Gründung, umfasste die Aktivitas 102 Theologiestudenten, darunter bereits 49 Urstudierende. Zur gleichen Zeit wies die Altherrenschaft ein Ehrenmitglied und 51 Bandphilister auf. Drei Jahre später verzeichnete das CV-Gesamtverzeichnis die ersten Urphilister der Guestfalo-Silesia, 14 an der Zahl.

Aufnahme von Pädagogen: Guestfalo-Silesia als “gemischte” Verbindung

Neben den Theologiestudenten wurden ab dem SS 1958 Studenten der bereits seit 1946 bestehenden Pädagogischen Akademie Paderborn (ab 1965 Pädagogische Hochschule) aufgenommen, die im Verbindungsleben bald das Übergewicht erlangten, da die Theologiestudenten der strengen Hausordnung des Leokonvikts unterworfen waren und daher in geringerem Umfang das Verbindungsleben mitgestalten konnten. In der Folge wurden Beschlüsse gefasst um die Gleichberechtigung der Theologen sicherzustellen. Ab SS 1967 konnten wieder verstärkt Theologiestudierende rezipiert werden. Die Zeit der Studentenbewegung führte zu einem Rückgang der Rezeptionszahlen und zu einem Nachlassen des Interesses der Bundesbrüder.

“Rupert Mayer” Frankfurt a.M. als Tochterverbindung

1955 trat die an der Phil.-Theol. Hochschule St. Georgen in Frankfurt a. M. gegründete Theologengemeinschaft Rupert Mayer an Guestfalo-Silesia mit der Bitte heran, als vorläufige „Gliedgemeinschaft“ der Paderborner Verbindung geführt zu werden, um später eine eigenständige CV-Verbindung zu werden. Daraufhin wurde ein entsprechender Vertrag ausgehandelt, der den Mitgliedern der Rupert Mayer-Gemeinschaft die Vollmitgliedschaft der Guestfalo-Silesia verlieh. Nach Zustimmung des CV-Rats trat der Vertrag mit dem WS 1957/58 in Kraft.

Da sich die Rupert Mayer-Gemeinschaft nach Änderungen in der Seminarordnung gut weiterentwickelte, konnte 1968 der Beschluss gefasst werden, durch Teilung die Tochterverbindung Rupert Mayer entstehen zu lassen und die Frankfurter Theologengemeinschaft somit in die Selbständigkeit zu entlassen. Nach Zustimmung des CV erfolgte am 18. November 1969 die Publikation der Tochterverbindung. 1983, nach fast 14 Jahren selbständiger Existenz, verschmolz Rupert Mayer wieder mit der Mutterverbindung, da zahlenmäßig eine selbständige CV-Verbindung an der Phil-Theol. Hochschule St. Georgen nicht zu halten war.

Weitere Ausweitung des Mitgliederspektrums

1972 wurde durch Zusammenschluss der Pädagogischen Hochschule und der Fachhochschule Südostwestfalen mit Sitz in Paderborn die Universität-Gesamthochschule Paderborn errichtet. Die neuen Fachbereiche wirkten sich günstig auf Guestfalo-Silesia aus, so daß ab 1974 die Nachwirkungen der Studentenbewegung überwunden werden konnten. Zum 25. Stiftungsfest 1977 war die Aktivitas auf 25 ortsanwesende Aktive und 14 Füchse angewachsen. Im gleichen Jahr mietete die Verbindung in der Kilianstraße 125 ein Haus an.

Der Zuzug von der Universität-Gesamthochschule war nicht von Dauer. 1979/80 konnten nur Studenten der Theologischen Fakultät rezipiert werden, die bald die Hälfte der Aktivitas ausmachten (32 im SS 1980). Die Tendenz zur „Theologenverbindung“ und damit zur ursprünglichen Zielsetzung verstärkte sich in den 1980er Jahren. Anfang der 1990er Jahre traten der Guestfalo-Silesia auch wieder Studenten der Universität-GH, insbesondere der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, bei. 1995 wählte die 109. Cartellversammlung den Guestfalo-Silesen und Eichstätter Theologieprofessor Dr. Friedrich Diedrich zum CV-Seelsorger.

Jüngste Geschichte

Im November 2002 konnte Guestfalo-Silesia feierlich ihr 50. Stiftungsfest begehen und zum ersten Mal in ihrer Geschichte „100-Semester-Bänder” an ihre Jubilare verleihen.

Unter Philistersenior Wilhelm Vockel sen. wurde der lang gehegte Wunsch der Verbindung nach einem eigenen Verbindungshaus Wirklichkeit: Am 24. November 2002 legte Domdechant Dr. Heribert Schmitz den Grundstein für das neue Verbindungshaus am Vogeliusweg 7, das im Herbst 2004 bezogen werden konnte und nicht nur repräsentative Räumlichkeiten für Verbindungsveranstaltungen bietet, sondern auch schöne Studentenappartements direkt gegenüber der Universität bereit hält. Die Errichtung des neuen Heimes war für die vergleichsweise junge Verbindung nicht nur ein enormer finanzieller Kraftakt, sondern auch eine bedeutende Investition in ihre Zukunft, denn seit dem Bezug des neuen Verbindungshauses hat sich die zeitweilig prekäre Nachwuchssituation merklich verbessert.

Nach der Ausgliederung einiger wissenschaftlicher Abteilungen in die Fachhochschule Lippe und Höxter bzw. die Fachhochschule Südwestfalen wurde die bisherige Universität-Gesamthochschule Anfang des Jahres 2003 in „Universität Paderborn” umbenannt.

2005 wählte die 119. Cartellversammlung in Darmstadt den Guestfalo-Silesen, Berliner Ordinariatsrat und Domvikar Ulrich Bonin zum CV-Seelsorger.

Text weitgehend aus:

Siegfried SCHIEWECK-MAUK: Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen. Hrsg. von der Gemeinschaft für Deutsche Studentengeschichte e.V. (GDS). SH-Verlag, Vierow bei Greifswald 1997.
Korrekturen und Ergänzungen von Johannes Bergmann.